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Warentransportversicherung: Der Spediteur als Versicherungsvermittler

23. Februar 2024
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist die Vermittlung von Warentransportversicherungen durch Spediteure nur noch unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Lesen Sie hier im Artikel die Einzelheiten.

Dass Spediteure für ihre Kunden nicht nur den Transport einer Ware organisieren, sondern auch gleich eine Warentransportversicherung vermitteln, ist praktisch und in der Praxis nicht unüblich. Nach jüngster Rechtsprechung ist dieses Vorgehen allerdings zukünftig ohne Weiteres nicht mehr möglich, wie folgendes Urteil verdeutlicht:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Rechtsstreit vorgelegt, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Die TC Medical Air Ambulance Agency GmbH, die Kunden durch Mitgliedschaft berechtigte, verschiedene Leistungen bei Unfall oder Erkrankung im Ausland zu beanspruchen, wurde vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verklagt. Der Vorwurf: Die beklagte Firma vermittle Versicherungen und sei damit als Versicherungsvermittler anzusehen und als solche müsse sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Im Ergebnis entschieden die Europarichter am 17. September 2022, dass „eine Versicherungsvermittlereigenschaft“ vorliege, „wenn ein Versicherungsnehmer ein eigenes wirtschaftliches Vermittlungsinteresse“ verfolge, „indem er Kunden eine freiwillige Mitgliedschaft“ in einem bestehenden Gruppenunfallversicherungsvertrag anbiete, nach Beitritt des Kunden eine Vergütung erhalte sowie die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an seine Kunden abtrete.

Das vorstehende Urteil hat damit auch weitreichende Folgen für Logistikunternehmen. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wurde bisher vielfach die Auffassung vertreten, dass der Spediteur, der gegenüber der Versicherungsgesellschaft als Versicherungsnehmer fungiert, keine Versicherungsvermittlung im Sinne der jeweiligen Gewerbeordnung (GewO) betreibt. Dies ändert sich nun: Nach Auffassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen und der Deutschen Industrie- und Handelskammer, bezugnehmend auf die Entscheidung des EuGH, sind Spediteure durchaus als Versicherungsvermittler anzusehen, wenn sie als Versicherungsnehmer auf der Grundlage einer Gruppenversicherung Deckungsschutz zugunsten eines Dritten besorgen und dafür vom Kunden eine Vergütung (Spediteurrabatt und/oder Besorgungsaufschlag) erhalten.

Vom EuGH-Urteil sind demnach alle Spediteure betroffen, die im Auftrag ihrer Kunden eine Warentransportversicherung abschließen, und zwar auf der Grundlage einer bestehenden Generalpolice.

Allerdings besteht die Möglichkeit, dass für Spediteure eine „Erlaubnisbefreiung“ oder „Erlaubnisfreiheit“ in Betracht kommt. Dies ist gegeben, wenn der Spediteur mit Bezug auf die Rechtsgrundlagen der Paragrafen 34d Absatz 6 GewO und 34d Absatz 8 GewO als produktakzessorischer Vermittler von Transport- und Lagerversicherungen durch die jeweilige Handelskammer von der „Erlaubnispflicht“ befreit wird. Dazu bedarf es eines entsprechenden Antrags bei der zuständigen Handelskammer. Die einmaligen Kosten der Registrierung und der Befreiung von der Erlaubnispflicht liegen beispielsweise bei der IHK München bei EUR 320,00. Zusätzlich benötigt der Spediteur eine Bestätigung seines Versicherungsmaklers, dass er zuverlässig ist, in geordneten Vermögensverhältnissen lebt, ausreichend qualifiziert ist sowie eine Vermögenschadenhaftpflichtversicherung besitzt. Diese greift, wenn der Spediteur Beratungsdefizite zu verantworten hat, die zu einem finanziellen Schaden auf Kundenseite führen.


In Kurzform:

1. Der BGH hat die EuGH-Entscheidung am 15. Dezember 2022 durcherkannt (AZ: IZR 8/19). Die Urteile haben für alle Spediteure Bedeutung, die eine Warentransportversicherung auf der Grundlage einer bestehenden Generalpolice gegen Zahlung einer Vergütung vermitteln. Dies gilt insbesondere im B2B-Bereich.

2. Von den Entscheidungen beider Gerichte sind nicht nur Spediteure betroffen, die See- und Luftfrachttransporte von A nach B organisieren. Sie tangieren auch Reedereien, die in der Vermittlung von Transportversicherungen ein wirtschaftliches Interesse sehen. Darüber hinaus ist die gesamte Paketbranche betroffen, die nicht nur im B2C-, sondern insbesondere auch im B2B-Sektor Warentransportversicherungen gegen Entgelt auf der Grundlage einer bestehenden Generalpolice vermittelt. Schließlich sind die Lagerhalter nicht zu vergessen, die im Auftrag ihrer Kunden eine Dienstleistung vermitteln.

3. Jeder Spediteur, der Warentransportversicherungen verkauft, sollte rechtlich prüfen, ob er, auch ohne im Besitz einer Erlaubnis zu sein, weiter Warentransportversicherungen vermitteln darf oder nicht.

4. Mit Bezug auf den vorstehenden Punkt schützt Unwissenheit nicht vor Sanktionen im Fall eines Compliance-Verstoßes. Im schlimmsten Fall droht dem Spediteur die Nichtfortsetzung seines Unternehmens nach Paragraf 15 Absatz 2 GewO. Außerdem droht ihm ein Bußgeld, sollte der Spediteur ohne Erlaubnis Transport- und oder Lagerversicherungen vermitteln, da er ordnungswidrig nach Paragraf 144 Absatz 1 Nr. 1 Buchtstabe k GewO handeln würde.

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